06. Dezember 2009, 09:34 Uhr

Oman

Die weibliche Seite Arabiens

Aus Maskat berichtet Nathalie Klüver

Im Wüstenstaat Oman sind Frauen besser gestellt als in vielen anderen arabischen Ländern. Sahar al-Kaabi ist eine von ihnen: Sie nutzt die Freiheiten und macht Karriere. In den Führungsetagen haben die Männer zwar noch das Sagen - doch die weibliche Konkurrenz holt auf.

Prinz Charles lächelt sein Prinz-von-Wales-Lächeln. Er lächelt in Sahar al-Kaabis Büro, er lächelt in ihren marmorgefliesten Verkaufsräumen. Auf sorgfältig gerahmten Fotos, die Madame Kaabi aufgehängt hat. Erinnerungen an den Ehrengast, der im vergangenen Jahr in Maskat zu Besuch war. Auch sonst kann sich die Liste ihrer Kunden sehen lassen: Das omanische Königshaus bestellt Silberteller bei ihr, die großen Hotels Tischschmuck, die Banken Visitenkartenetuis.

Sahar al-Kaabi bittet, sich an der belgischen Schokolade zu bedienen - eines der vielen Produkte, die sie unter dem Label "Sadaf" vertreibt. Mit Werbegeschenken, die sie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importierte, begann die Geschichte von "Sadaf". Mittlerweile sucht al-Kaabi ihr Sortiment in der ganzen Welt zusammen, lässt von ihren zwölf Angestellten auf Bestellung Blumengeschenke für Hotels, Kongresse oder Hochzeiten anfertigen und bildet in ihrem hauseigenen Institut Floristen aus. Sie verbringt fast die Hälfte des Monats auf Geschäftsreise, besucht Messen in Europa und im gesamten arabischen Raum.

1996 begann sie ihre Arbeit als One-Woman-Show von ihrem Wohnzimmer aus, mittlerweile hat sie drei Sadaf-Filialen, vor dem mit Schmetterlingen und Glitzergirlanden geschmückten Firmensitz parkt ihr Porsche Cayenne.

Kaabi ist eine der Power-Frauen, die in Oman Karriere gemacht haben. Ausgerechnet in einem arabischen Wüstenstaat, geprägt vom Islam, bisher dominiert von Männern. Doch die weibliche Konkurrenz wird immer stärker: Liberale Gesetze ermöglichen den Frauen in Oman einen beruflichen Aufstieg, wie er in den meisten orientalischen Ländern nicht denkbar wäre.

"Ich hatte keine Erfahrung im Geschäftsleben"

Ein zaghaftes Klopfen an der Tür. Ein Angestellter flüstert eine Frage, Madames Antwort ist kurz und knapp. Der Mann zieht sich leise wieder zurück. Wer hier die Chefin ist - daran besteht kein Zweifel.

Dabei war die 38-Jährige nicht immer eine erfolgreiche Karrierefrau. Ihren gut bezahlten Job bei einer omanischen Fluglinie gab Kaabi auf, weil sie ihr eigener Boss sein und sich endlich selbst den Gehaltscheck ausstellen wollte. Ihren ersten Laden für Souvenirs betrieb sie von zu Hause aus, weil das Geld für die Miete eines Ladengeschäfts nicht reichte. Nach einem Jahr gab sie auf. "Ich hatte Literatur studiert und keine Erfahrungen im Geschäftsleben", erklärt sie den Misserfolg. Sie entschied sich, ihren Master in Ägypten zu machen, ließ ihre heute 20 und 19 Jahre alten Söhne bei ihrer Mutter.

1999 versuchte sie erneut den Schritt in die Selbständigkeit - ohne einen Rial in der Tasche. Geld von ihrer Familie habe sie nicht gewollt, auch nicht von der Bank, denn sie habe ihrer Umwelt beweisen wollen, dass Frauen auch ohne Unterstützung etwas erreichen können, erzählt sie mit trotzigem Unterton. Kaabi wollte unabhängig sein. "Frei wie ein Schmetterling", wiederholt sie wie ein Mantra. Schmetterlinge zieren ihr Haus, die Wände, finden sich auf den Vasen, dem strassverzierten Modeschmuck und dem Silberbesteck in ihrem Laden.

Kaabi hat sich bewusst für ein Kopftuch entschieden

Noch gehört Sahar al-Kaabi als erwerbstätige Frau zu einer Minderheit. Nur 20 Prozent der Beschäftigten in der omanischen Privatwirtschaft sind Frauen, im öffentlichen Dienst kommt auf zwei Männer eine Frau. Wenig im Vergleich zu Deutschland, wo rund die Hälfte der Erwerbstätigen weiblich ist. Doch auf der arabischen Halbinsel steht das Sultanat vergleichsweise gut da: Im Nachbarstaat Saudi-Arabien üben laut staatlichen Angaben nur 5,5 Prozent der Frauen einen Beruf aus, sie dürfen kein Auto fahren und keine öffentlichen Ämter bekleiden, männliche Freunde nicht in der Öffentlichkeit treffen.

Ein anderes Bild in Oman: Dort sitzen selbstbewusste Frauen am Steuer, gehen allein ins Café und essen gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen in der Kantine. Auch wenn Abajas und Kopftücher das Straßenbild bestimmen, vorgeschrieben wie in Saudi-Arabien sind sie nicht. Man trifft alle Variationen: Frauen in knapper Jeans mit akkurat geföhntem Bob, Frauen im Rock mit Kopftuch, Frauen mit Abaja, und vor allem im Süden an der Grenze zum Jemen diejenigen, die sogar über den Augen einen Schleier tragen.

Sahar al-Kaabi trägt keine Abaja über ihrem langen Rock und dem maßgeschneiderten Blazer. Doch sie hat sich für ein Kopftuch entschieden. Bewusst. Um ihren Glauben zu zeigen. Als Schutzschild gegenüber männlichen Geschäftspartnern. Denn Frau Kaabi ist seit 1994 geschieden, manche Männer verstehen das falsch: "Durch mein Kopftuch zeige ich, dass ich nicht leicht zu haben bin. Die Männer behandeln mich respektvoller."

Frauen werden von Geschäftspartnern häufig unterschätzt

Ihre Freiheit verdanken Omans Frauen dem Herrscher des Wüstenstaats Sultan Kabus. Sein Konterfei ist allgegenwärtig: In Privatwohnungen ebenso wie in öffentlichen Gebäuden und Hotels - und auch über Sahar al-Kaabis Schreibtisch. Immer wieder deutet sie auf das Foto, wenn sie über die Errungenschaften der Frauen spricht. Dank der Empfehlung des Sultans war sie die erste Frau in einem arabischen Land, die Mitglied einer Handelskammer wurde.

Sultan Kabus regiert seit 1970. Seine Macht nutzt er vor allem zur Imagepflege. Deshalb gibt er den jährlichen Haushaltsüberschuss für Projekte aus, die dem Volk zugute kommen sollen und nicht nur der Oberschicht. Eine Infrastruktur, von der deutsche Pendler träumen, kostenlose Gesundheitsversorgung für alle und modern ausgestattete Schulen und Universitäten zeugen vom Reichtum, den das Öl mit sich bringt.

Vor allem aber stellt der Herrscher immer wieder die wichtige Rolle der Frau in den Mittelpunkt. "Ungebildete Frauen können keine freien Kinder aufziehen. Wenn Frauen nicht ausgebildet sind, können sie nichts zum Fortschritt dieses Landes beitragen", lautet seine viel zitierte Parole. Und so ist die Hälfte aller Studenten weiblich, Frauen steigen schon wenige Monate nach ihrer Schwangerschaft wieder ins Berufsleben ein - den zahlreichen Kinderkrippen und südostasiatischen Nannys sei Dank.

Frauen müssen besser sein als Männer und härter arbeiten

Dennoch begegnet Sahar al-Kaabi in ihrem Beruf immer wieder Geschäftspartnern, die sie unterschätzen. Weil sie eine Frau ist. Das störe sie nicht, denn sie ziehe ihren Nutzen daraus, lächelt sie maliziös. Außerdem, sagt sie, und das Lächeln ist aus dem Gesicht verschwunden: Man handelt nicht von Frau zu Mann, sondern von Geschäftspartner zu Geschäftspartner, bei Bedarf auch knallhart.

Auch Zubaida al-Balushi wird immer wieder unterschätzt. Wenn die Rechtsanwältin vor Gericht für die Rechte ihrer Mandanten eintritt, begegnet sie häufig Männern, die es merkwürdig finden, dass eine Frau in Abaja und Kopftuch vor ihnen steht. Noch nicht einmal jeder zehnte Rechtsanwalt ist weiblich in Oman. Da muss man sich als Frau schon durchbeißen, sagt die 38-Jährige, die in einer renommierten Kanzlei in Maskat arbeitet. Aber mittlerweile habe man sie akzeptiert: "Die sehen, dass ich so gut bin wie sie. Am Anfang hatten viele Zweifel, ob das ein Beruf für eine Frau ist."

Sie ist überzeugt, dass es noch viel mehr Anwältinnen geben sollte - schon weil es viele Frauen vorzögen, sich in Rechtsangelegenheiten von Frauen beraten zu lassen. Insbesondere, wenn es um Scheidungen geht, bei denen in Oman die Scharia angewandt wird. "Viele Frauen schämen sich, mit Männern über ihre Eheprobleme zu sprechen, es ist für sie leichter, sich einer Frau zu öffnen."

"Es gibt noch zu wenige Frauen in Führungspositionen"

Wie Kaabi ist Balushi eine klassische Quereinsteigerin. Sie arbeitete als Sachbearbeiterin in einer Bank. Doch dann kündigte sie und begann allen Zweifeln der Verwandtschaft zum Trotz mit 32 Jahren ein Jurastudium. Es sei an der Zeit gewesen, etwas anderes zu machen. Am Ziel angekommen ist sie nicht. Sie will sich nun auf die Männerdomäne Wirtschaftsrecht spezialisieren und promovieren.

"Wir Frauen haben viel erreicht", sagt sie. Über dem gläsernen Konferenztisch hängt das Bild des Sultans. Vor zehn Jahren waren nur wenige Frauen berufstätig. "Heute sind wir Anwältinnen, Lehrerinnen, Ärztinnen und Ministerinnen, wir bekommen das gleiche Geld wie die Männer." Wenn das nicht wäre, würden die Frauen auf die Straße gehen und demonstrieren, lacht sie. Aber noch gebe es zu wenige Frauen in Führungspositionen, auch wenn es dazu keine Statistiken gibt. "Wir wollen mehr", sagt sie und zieht ihren Schleier fester. "Nichts ist unmöglich. Schwierig ja, aber nicht unmöglich."

Auch die Geschäftsfrau Sahar al-Kaabi will sich nicht mit dem Erreichten zufrieden geben. Eigentlich wollte sie in Dubai eine Sadaf-Filiale eröffnen, aber seit der Wirtschaftskrise sei das kein interessantes Pflaster mehr. Jetzt plant sie die Expansion in Katar.

Dass es trotz aller Fortschritte in Oman immer noch Leute gibt, die ihre Unabhängigkeit kritisch sehen, stört sie nicht. Man lebe nur einmal, und diese Zeit sollte man dazu nutzen, das zu tun, was einen glücklich macht. "Wie die Ameise: Sie verfolgt ihr Ziel beharrlich und gibt nicht auf. Auch wenn die Dinge schwerer sind als sie selbst."


URL:

FORUM:


MEHR AUF SPIEGEL ONLINE:


© SPIEGEL ONLINE 2009
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH